Arthrose im Kniegelenk
Prinzipiell gilt die Maxime: Gelenk-ERHALT vor Gelenk-ERSATZ!
Das bedeutet, es werden alle rekonstruktiven und gelenkerhaltenden Massnahmen ausgeschöpft, bevor Gelenkanteile oder das komplette Gelenk ersetzt werden.
Die Behandlung von Knorpelschäden stellt eine der Hauptaufgaben der arthroskopischen und gelenkerhaltenden Chirurgie dar.
Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten abhängig vom Schweregrad der Knorpelschädigung, Lokalisation, Lebensalter des Patienten und Beschwerdebild:
1. Knorpelglättung:
Dabei werden aufgelockerte und instabile Knorpelanteile entfernt und geglättet, ähnlich wie Rasen mähen. Instabile Knorpelteile müssen entfernt werden, damit sie nicht noch weiter einreißen und den Knorpelschaden vergrößern oder als frei Gelenkkörper ("Gelenkmaus") im Knie herumschwimmen.
2. Mikrofrakturierung:
Anfang der 90er Jahre wurde eine bereits in den 50er Jahren begonnene Behandlungstechnik (Pridie-Bohrungen) deutlich weiterentwickelt. Es entstand die weitaus weniger traumatisierende 'Microfracture-Technik' nach Steadman (Vail/Colorado). Hierbei wird mit einer Art Knochenpickel oder -dorn die freiliegende Knochenoberfläche durchbrochen und es entstehen feine Risse und kleine Löcher.
Das durchbrechen der harten Knochenoberfläche ermöglicht das Austreten von Knochenmarkszellen. Diese entwicklungsfähigen Zellen aus dem Blut setzen sich in dem Knorpeldefekt fest und es entsteht eine Knorpelschicht aus Faserknorpel. Dieser ist zwar nicht so belastungsfähig wie der eigentliche Gelenksknorpel (hyaliner Knorpel), bedeckt aber in der Regel den Knorpeldefekt vollständig und reift mit der Zeit aus, so dass wieder ein vollständiger Knorpelüberzug der Gelenkfläche entsteht.
Da die "Knorpelpflänzchen" zunächst vor größeren Belastungen geschützt werden müssen um stabil zu werden, ist für eine bestimmte Zeit (in der Regel 4 - 6 Wochen) eine Entlastung an Gehstützen notwendig.
3. OATS- oder Mosaikplastik (Knorpel-Knochen-Transplantation):
Diese Technik eignet sich für größere Knorpeldefekte im Bereich des Kniegelenks auf der Oberschenkelseite. Hierbei werden aus dem eigenen Knie kleine Knorpel-Knochen-Stanzzylinder von gering belasteten Stellen (z.B. Im Aussenbereich des Kniescheibenlagers) entnommen und in passend vorbereitete Aufnahmelöcher in der Defektzone eingestößelt.
Vorteil dieser Technik ist der funktionsfähige Gelenkknorpel (hyaliner Knorpel) in der Defektzone und das schnelle einheilen innerhalb von 6 Wochen. Diese anspruchsvolle Technik, insbesondere bei arthroskopischer Durchführung, sollte daher nur von routinierten und erfahrenen Operateuren durchgeführt werden.
4. Achskorrektur an Schienbein und Oberschenkel (HTO/High Tibia Osteotomy). Je nach Beschwerdebild und individuellen Voraussetzungen ist eventuell eine Korrektur der Beinachse sinnvoll. Dieses Verfahren ist für Patienten bis etwa zum zum 60. Lebensjahr geeignet.
Hierbei wird nach einer genauen Achsvermessung ihres Beines das Korrekturpotential festgestellt. Bei Grenzfällen kann mittels einer ca. 6 wöchigen Schienenbehandlung eine Operation simuliert werden, um die Erfolgsaussichten eines solchen Eingriffs abzuschätzen (dies muss in der Regel vorher von der Krankenkasse genehmigt werden).
Bei einer O-Bein-Fehlstellung kann man meist am Schienbeinkopf eine Umstellung vornehmen. Dies geschieht durch Aufklappen auf der Innenseite oder Entnahme eines Knochenkeiles auf der Außenseite des Schienbeins. Eine X-Bein Korrektur erfolgt oberhalb des Kniegelenkes am Oberschenkelknochen. In beiden Fällen wird der Knochen vorsichtig aber nicht vollständig durchtrennt und präzise in der gewünschten Stellung mit Metallklammern oder Schrauben bis zur Heilung dieses „chirurgisch kontrollierten Knochenbruches“ fixiert. Durch Verwendung sog. winkelstabiler Platten und Schrauben konnte in den letzten Jahren der Heilungsverlauf erheblich verbessert werden. Auch hier ist die Entlastung des operierten Beines für ca. 6 Wochen an Unterarmgehstützen notwendig.
Die Metalle entfernt man gewöhnlich 1 Jahr später. Hierbei kann auch eine Kontroll-Arthroskopie erfolgen, auch um eventuell ungenügend geheilte Knorpelstellen erneut anzufrischen und zu verbessern.
Auch wenn es sich nach einem schweren OP-Eingriff anhört: diese Umstellungen heilen rasch. Und man kann diese Operation auch mit anderen Verfahren kombinieren.
Ziel des Eingriffs ist eine Reduktion der Schmerzen, eine Verbesserung der Beweglichkeit und somit eine deutlich verbesserte Lebensqualität. Zusätzlich soll hiermit eine potentiell nötige Gelenksersatzoperation deutlich nach hinten geschoben werden. Ob diese nach einer Achskorrektur jemals notwendig ist, lässt sich allerdings nicht vorhersagen.
Bei allen gelenkerhaltenden operativen Massnahmen ist nach der Operation in einem Abstand von ca. 6 Wochen eine Einlagenversorgung sowie die Infiltration mit einem Hyaluronsäurepräparat sinnvoll, da auch eine gelenkerhaltende Operation ein Trauma für das Gelenk darstellt und die Knorpelzellen die Produktion von Hyaluronsäure einstellen. In aktuellen Studien konnte gezeigt werden, dass die Infiltration die Produktion von Hyaluronsäure wieder angeregt.
Gelenkersatz
Sollte eine rebkonstruktive oder gelenkerhaltende Maßnahme bei Ihnen nicht mehr möglich sein, stehen folgende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung:
1. Isolierte Arthrose hinter der Kniescheibe (Retropatellararthrose)
Sollte bei Ihnen ausschliesslich ein Verschleiß hinter der Kniescheibe vorliegen, kommen je nach Ihren anatomischen Voraussetzungen mehrere Verfahren zur Behandlung in Frage.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Versatz der Kniescheibensehne am Schienbein sinnvoll sein. Hiernach ist eine Entlastung an Gehstöcken für 6 Wochen notwendig.
Falls Sie für dieses Verfahren nicht geeignet sind, kann eine Spaltung des äusseren Kniescheibenhaltebandes (sog. laterales Release) erfolgen. Hiernach ist keine längerfristige Entlastung notwendig. Allerdings stellt diese Verfahren eine Ausnahmeindikation dar und ist nicht für jeden Patienten geeignet.
Bei höhergradigen Knorpelschäden gibt es weitere Therapieoptionen, die abhängig von den Beschwerden, der Ausgangssituation und dem Patientenalter zum Einsatz kommen:
2. Teilweiser Gelenkersatz (hinter der Kniescheibe / Innenseite des Kniegelenks)
Je nach Lokalisation, Beschwerdebild, Schweregrad der Arthrose und den individuellen Bedürfnissen des Patienten, hat der Operateur die Möglichkeit aus verschiedenen Prothesentypen zu wählen.
Bei den heute implantierten modernen Knieendoprothesen handelt es sich um Oberflächenersatzprothesen, da nur die abgenutzten Knorpeloberflächen, möglichst unter Erhalt der patienteneigenen Kniebandstrukturen, ersetzt werden. Es kommen verschiedene Prothesentypen zum Einsatz, die möglichst nur die verschlissenen Anteile des Gelenkes ersetzen und nicht veränderte Areale erhalten (Unikompartimentelle Knieimplantate).
Hierbei bestehen prinzipiell zwei Möglichkeiten:
- Unikondyläre oder mediale Schlittenprothese
Diese wird verwendet, wenn nur das innenseitige (mediale) Kniegelenk verschlissen ist. Sollten zusätzlich auch Schmerzen hinter der Kniescheibe oder auf der Außenseite bestehen ist dieses Verfahren nicht mehr geeignet.
- Patellofemoraler Ersatz
Der isolierte Ersatz nur dieses Gelenkabschnittes setzt ebenfalls voraus, dass die anderen Abschnitte allenfalls geringe Knorpelveränderungen aufweisen und keine wesentlichen Beschwerden verursachen und die Kniebandstrukturen intakt sind.
3. Vollständiger Gelenkersatz
Bei höhergradigen Knorpelschäden in mehreren Kniegelenksanteilen (Innenseite, Außenseite, hinter der Kniescheibe) ist manchmal ein vollständiger Ersatz des Kniegelenks unumgänglich.